Die aus Langeweile vorgenommene Umdichtung der russischen Geschichte in der chinesischen Wikipedia

In den Jahren 2005 und 2006 praktizierten Oliver Bendel und seine Studenten und Studentinnen in Wikipedia organisierten Vandalismus. Sie schrieben Artikel wie den zu ihrer Hochschule um. Der Wissenschaftler wollte damit seinem Kurs die Manipulierbarkeit der Onlineenzyklopädie aufzeigen, die von Jimmy Wales und Larry Sanger gegründet wurde. Am Ende des Unterrichts wurden alle Änderungen rückgängig gemacht. Damals galt kein Vieraugenprinzip in der deutschsprachigen Wikipedia – Aktualisierungen wurden auf die Schnelle weder von Bots noch von Menschen kontrolliert. Heute gibt es weltweit vielfältige Mechanismen, und doch kommt es regelmäßig zu echtem Vandalismus und zu Hoaxes. Wie Golem am 14. Juli 2022 berichtete, dichtete eine Chinesin namens Zhemao aus Langeweile russische Geschichte um. „Sie ging dabei überaus planvoll vor: Sie vermischte Fakten und Fiktion, zitierte aus Quellen, die in der angegebenen Ausgabe nicht existierten oder in denen die angegebene Seite nicht vorhanden war. Zudem schuf sie mehrere sogenannte Sockenpuppen, die Zhemaos Artikel Glaubwürdigkeit verleihen sollten.“ (Golem, 14. Juli 2022) Eine von ihnen behauptete sogar, sie getroffen zu haben. Erneut zeigen sich die Grundprobleme von Wikipedia in aller Deutlichkeit. Sie ist in der Masse von Laien getrieben, und nicht alle von ihnen haben gute Absichten. Es werden Falschinformationen verbreitet und z.T. erst nach einiger Zeit aufgedeckt. In der Onlineenzyklopädie selbst ist über Larry Sanger, der Wikipedia bald nach der Gründung verließ, zu lesen: „Seit seinem Abschied hat er sich … zunehmend vehement von Wikipedia distanziert, da er der Ansicht ist, dass Fachexperten in der Enzyklopädie eine größere Rolle spielen sollten, um die Qualität und Verlässlichkeit zu steigern und ihre Reputation zu verbessern.“ (Wikipedia, Eintrag zu Larry Sanger) Oliver Bendel beschrieb seine damaligen Aktivitäten in seinem Artikel „Wikipedia als Methode und Gegenstand der Lehre“, der in der HMD (Heft 252/2006, S. 82 – 88) veröffentlicht wurde.

Abb.: Wikipedia ist ebenso beliebt wie problematisch