BR24 hat sich mit Oliver Bendel – Technikphilosoph, Informationsethiker und Maschinenethiker – über DeepL Write, ChatGPT und andere KI-Anwendungen unterhalten. Bei DeepL Write sieht er das Problem, dass das Unternehmen nicht die offiziellen Rechtschreibregeln befolgt, sondern eigene – oder aus dem Datenmaterial abgeleitete. Auch Microsoft Word hat seit vielen Jahren eine ungeeignete Rechtschreibprüfung, was vermutlich mit der zunehmend genutzten KI zusammenhängt. ChatGPT sieht Oliver Bendel als mächtiges Werkzeug an, das man für allerlei Belange nutzen kann. Hochschulen und Medien müssen freilich darauf reagieren. Studenten und Studentinnen müssen grundsätzlich fremdes geistiges Eigentum markieren und referenzieren – vielleicht gibt es bei ChatGPT kein geistiges Eigentum in diesem Sinne mehr, aber man kann auf jeden Fall sagen, dass es sich nicht um das geistige Eigentum der Anwender handelt. Auch Gesichtserkennung hält Oliver Bendel für eine mächtige Technologie. Man solle die Forschung dazu nicht begrenzen, wohl aber die Anwendung, und Gesichtserkennung zum Zweck der Massenüberwachung verbieten. Er berichtet von einem System, das von ihm und Ali Yürekkirmaz konzipiert wurde und das Gesichtserkennung für Bären in den Alpen vorsieht. Ihr Paper „A Face Recognition System for Bears: Protection for Animals and Humans in the Alps“ wird demnächst in den Proceedings der „Ninth International Conference on Animal-Computer Interaction (ACI’22)“ erscheinen. Bei BR24 stehen ein Podcast mit dem Interview von Cosima Weiske mit Oliver Bendel und ein Artikel mit Aussagen von ihm zur Verfügung.
Abb.: Oliver Bendel bei einer Abschlusspräsentation (Foto: Sara Zarubica)
Die Medien interessieren sich stark für die Sicht der Technikphilosophie und der Informations-, Roboter- und Maschinenethik auf soziale Roboter und ähnliche Systeme. Im Juni und Juli 2022 waren zwei Fernsehsender an der Hochschule für Wirtschaft FHNW, um die Arbeit von Prof. Dr. Oliver Bendel kennenzulernen und Bilder und O-Töne einzufangen. 3sat wird eine Sendung zur Mensch-Maschine-Interaktion und zur Sozialen Robotik machen, BILD LIVE einen Beitrag zum Cybrothel in Berlin. Auf der Website des Wissenschaftlers ist zu lesen: „Oliver Bendel verortet sich in der Technikphilosophie, wobei er auf Roboter und künstliche Intelligenz fokussiert. Er untersucht das Verhältnis zwischen Mensch bzw. Tier und Maschine und fragt danach, wie die Maschine der Gegenwart und Zukunft beschaffen ist, sein wird und soll.“ Dabei entwickelt er zusammen mit seinen Teams aus der Maschinenethik heraus spezielle KI-Systeme und tierfreundliche Roboter als Prototypen, um Möglichkeiten aufzuzeigen und Thesen zu überprüfen. Seit 2012 sind 13 Konzepte und Artefakte entstanden, die auf Konferenzen wie AAAI Spring Symposia, ISAIM, Robophilosophy und CHI sowie in Journals wie Künstliche Intelligenz, AI & Society, Paladyn – Journal of Behavioral Robotics und Frontiers of Animal Science vorgestellt wurden.
Abb.: Oliver Bendel beim Dreh mit 3sat (Foto: Sara Zarubica)
„Fortschritt ist eine erhebliche, spür- und sichtbare Verbesserung, Steigerung und Erweiterung, bezogen etwa auf Strukturen, Prozesse, Situationen und Entitäten. Er kann gestalterischer, technischer, medizinischer, wirtschaftlicher, politischer, sozialer und moralischer Natur sein und sich auf die Fortentwicklung in Gesellschaft, Kultur und Zivilisation sowie von Individuen und Arten richten. Fortschritt ist mit Wissenszuwachs und Wissenschaft verbunden, zudem mit Innovationsfähigkeit, mit Plan- und Umsetzbarkeit und mit Zuverlässigkeit von Personen und Systemen.“ Mit diesen Worten beginnt ein Beitrag von Oliver Bendel im Gabler Wirtschaftslexikon, der am 7. Juni 2022 erschienen und in vier Abschnitte gegliedert ist. Im letzten heißt es, bevor die Perspektive der Ethik eingenommen wird: „Fortschritt ist der Motor der Zivilisation. Er hat dabei geholfen, ferne und feindliche Lebensräume zu erschließen, die Schrift zu erfinden und zu nutzen, Krankheiten zu besiegen, Werkzeuge, Fahr- und Flugzeuge, Computer und Roboter zu entwickeln und der Religion die Aufklärung und den Humanismus entgegenzusetzen. Im Zuge der Fortschrittsgläubigkeit findet allerdings auch eine Verschwendung und Vernichtung natürlicher Ressourcen statt, und Fortschritt im Pflanzen- und Tierreich wird in erster Linie im Sinne von Haltung und Züchtung gesehen.“ Der Beitrag kann über wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/fortschritt-124041 aufgerufen werden.
Abb.: Für einige Menschen steht sie für den Fortschritt
Nach drei Jahren ist ein ambitioniertes Projekt an sein vorläufiges Ende gekommen: Das „Handbuch Maschinenethik“ (Hrsg. Oliver Bendel) ist Mitte Oktober 2019 bei Springer erschienen. Es versammelt Beiträge der führenden Expertinnen und Experten in den Bereichen Maschinenethik, Roboterethik, Technikethik, Technikphilosophie sowie Roboterrecht. Im Moment kann es hier heruntergeladen werden: link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-17483-5 … Es ist ein umfangreiches, ein vorzeigenswertes, ein einzigartiges Buch geworden. In gewisser Weise bildet es ein Gegenstück zur amerikanischen Forschung, die die Disziplin dominiert: Die meisten Autorinnen und Autoren stammen aus Europa und Asien. Der Herausgeber, der sich seit 20 Jahren mit Informations-, Roboter- und Maschinenethik beschäftigt und seit acht Jahren intensiv zur Maschinenethik forscht, ist voller Hoffnung, dass das Buch seinen Platz in der Standardliteratur zur Maschinenethik finden wird, wie „Moral Machines“ (2009) von Wendell Wallach und Colin Allen und „Machine Ethics“ (2011) von Michael und Susan Leigh Anderson, und wie „Programming Machine Ethics“ (2016) von Luís Moniz Pereira (mit Ari Saptawijaya) und „Grundfragen der Maschinenethik“ (2018) von Catrin Misselhorn – die beiden haben wesentlich zum „Handbuch Maschinenethik“ beigetragen. In den nächsten Tagen wird das Buch mit seinen 23 Kapiteln und 469 Seiten zum Verkauf über die Springer-Website bereitgestellt und auch als Printversion angeboten.
Prof. Dr. Armin Grunwald, einer der bekanntesten Technikphilosophen Europas, hielt am 22. Mai 2019 beim 23. Berliner Kolloquium – nach Prof. Dr. Oliver Bendel und Prof. Dr. Florian Coulmas – einen Vortrag mit dem Titel „Pflegeroboter und der Deutsche Bundestag: Zur Zukunft technisch assistierter Pflege“. Der technische Fortschritt in der Robotik scheint, so Grunwald, wie gerufen‚ um den viel beschworenen Pflegenotstand zu lindern. So einfach sei es jedoch nicht. „Vielfach ist darauf hingewiesen worden, dass professionelle Pflege – und so auch die damit verbundene Techniknutzung – in kulturelle, institutionelle und soziale Kontexte eingebettet ist, die sich stetig verändern. Politisch-institutionelle, kulturelle und ethische Fragen sind nicht vom Einsatz technischer Innovationen zu trennen, die zur Bewältigung des demografischen Wandels beitragen sollen.“ (Abstract) Auf der Basis einer aktuellen Studie erklärte Prof. Dr. Armin Grunwald, warum sich der Deutsche Bundestag für Pflegerobotik interessiert, wie entsprechende wissenschaftliche Politikberatung erfolgt, welche Herausforderungen in Bezug auf integrative Technikgestaltung entstehen und wie eine Balance zwischen menschlicher und technischer Autonomie zu erreichen ist.
Abb.: Keller (Moderator), Grunwald, Coulmas und Bendel (Foto: Daimler und Benz Stiftung)