Die Blütezeit der Chatbots

Um die Jahrtausendwende gab es zahlreiche Beispiele für Chatbots, die beratend auf Web­­sites tätig waren, beispielsweise Steffi (Human Vision), Alberta (Devis), Pia (Der Club), Mia (1822direkt), Leo (Schweppes), Bau­­­sparfuchs aka Chatfuchs (Schwäbisch Hall), Katie (Dove), GZS Berater (GSZ), LISA (BZ Buchs) und Cor@ (Deutsche Bank). Oliver Bendel listete sie in seiner Doktorarbeit über pädagogische Agenten auf, die im Jahre 2000 an der Universität St. Gallen begonnen und Ende 2002 fertiggestellt wurde. Daneben waren Agenten und Avatare in weiteren Bereichen tätig. Ananova, eine virtuelle Nachrichtensprecherin, hat damals eine gewisse Popularität erlangt. Sie wechselte, wie Oliver Bendel schreibt, im Jahre 2000 für eine Ablösesumme von 95 Millionen Pfund zum Telefonanbie­ter Orange. Die Gestaltung der Avatare war ganz unterschiedlich. Manche waren comichaft, andere fotorealistisch. Die meisten Chatbots und Nachrichtensprecher hatten einen bestimmten Namen und eine bestimmte Persönlichkeit. Zudem zeigten sie sich nicht nur in Hinsicht auf ihr Fachgebiet kundig, sondern auch mit Blick auf sich selbst und auf ihre Entwickler und Betreiber sowie auf gesellschaftliche Themen. Sie gehörten zur symbolischen KI und waren Systeme, die Wissen abbildeten, über eine Wissensbasis oder Wissensdatenbank. Heute ist die Aufmerksamkeit auf die nichtsymbolische, neuronale KI gerichtet, auf Large Language Models (LLMs), bei denen mehr das Lernen als das Wissen im Vordergrund steht. Allerdings kann man beide Bereiche miteinander kombinieren, etwa über Prompt Engineering und Retrieval-Augmented Generation. Dies ist der Fall bei Digital Ethics Girl, Social Robotics Girl und GenAI Nerd, die Oliver Bendel in seiner Lehre einsetzt.

Abb.: Katie von Dove

Von pädagogischen Agenten zu GPTs im Lernbereich

Intelligente tutorielle Systeme (Intelligent Tutoring Systems, ITS) und pädagogische Agenten (Pedagogical Agents) wurden in den 1990er- und 2000er-Jahren intensiv erforscht. Pädagogische Agenten waren häufig Chatbots, manchmal mit Sprachausgabe. Einige hatten animierte Avatare und arbeiteten in virtuellen Lernumgebungen – wie Steve, Adele, Linda und Harmony. Der Screenshot von Harmony stammt aus der Doktorarbeit von Oliver Bendel zu pädagogischen Agenten und wurde 2001 angefertigt. Die Idee des Virtual Learning Companion (VLC) entstand in den 1980er-Jahren und bezog sich damals eher auf virtuelle Peers. Man kann sie VLCs der ersten Generation nennen. In den 1990er-Jahren wurden einige Prototypen geschaffen. Weitere Chatbots für den Bildungsbereich tauchten in den 2020er-Jahren auf. In dieser Tradition stehen die GPTs, die auf GPT-4 basieren. Nutzer ohne Programmier- oder Designkenntnisse können sie in kurzer Zeit für den Lernkontext entwickeln. Es gibt bereits viele GPTs in der Kategorie „Education“ des GPT Store. CK-12 Flexi ist der „world’s most powerful math and science AI Tutor for middle and high school students“. AI Tutor ist „skilled in guiding students through their academic queries“. Universal Primer wirbt mit dem Slogan: „Learn everything about anything“. Dies sind nur drei Beispiele vom Februar 2024 – jeden Tag kommen neue hinzu. Die meisten von ihnen vermitteln Wissen. Für ihr Paper „How Can GenAI Foster Well-being in Self-regulated Learning?“ haben Stefanie Hauske und Oliver Bendel neben dem Digital Learning Facilitator (der hauptsächlich Wissen vermittelt) einen Digital Learning Coach und einen Digital Learning Mentor geschaffen (und damit an die Tradition der pädagogischen Agenten angeknüpft). Die GPTs im Lernkontext kann man als VLCs der zweiten Generation bezeichnen, wobei diese eben auch Tutoren, Mentoren oder Coaches sein können. Sie sind dabei, die formelle Aus- und Weiterbildung an Hochschulen und in Unternehmen und das selbstregulierte Lernen zu erobern. Das Paper wird Ende März 2024 an der Stanford University beim AAAI 2024 Spring Symposium „Impact of GenAI on Social and Individual Well-being“ vorgestellt.

Abb.: Der pädagogische Agent namens Harmony aus dem Jahre 2001

Social Robotics Girl ist eine Expertin auf ihrem Gebiet

Am 6. November 2023 stellte OpenAI sogenannte GPTs für ChatGPT-Plus-Nutzer zur Verfügung. Laut dem US-amerikanischen Unternehmen kann jeder ganz einfach und ohne Programmierkenntnisse sein eigenes GPT erstellen. Erste Tests haben die Leistungsfähigkeit der neuen Funktion gezeigt. ChatGPT schlägt einen Namen für den Chatbot vor, erstellt das Profilbild und nimmt Dokumente mit Text und Literaturlisten entgegen, um sein Wissen über das Thema zu erweitern. Ideal ist die Funktion etwa dafür, eigene Learning Companions zu erstellen, sozusagen moderne pädagogische Agenten. Aber auch von Chatbots anderer Benutzer und Anbieter kann man profitieren. Seit dem 12. November 2023 ist ein GPT namens Social Robotics Girl verfügbar, das Informationen über Soziale Robotik liefert. Es wurde von Prof. Dr. Oliver Bendel erstellt und speist sich aus einer Sammlung seiner Artikel zu diesem Thema. Daher kann es etwa seine Definition sozialer Roboter nennen und Einteilungen anhand seines Fünf-Dimensionen-Modells vornehmen. ChatGPT-Plus-Nutzer können Social Robotics Girl über chat.openai.com/g/g-TbhZSZaer-social-robotics-girl aufrufen.

Abb.: Das Social Robotics Girl