Zahlreiche Fachzeitschriften verlangen in ihren Autorenrichtlinien eine sogenannte gender- oder geschlechtergerechte Sprache. Zum Teil schreiben sie sogar Gendersternchen oder Doppelpunkt im Wortinneren vor. Damit werden nicht nur die Regeln der deutschen Rechtschreibung, sondern auch Persönlichkeitsrecht und Wissenschaftsfreiheit verletzt. Beispiele sind Suchtmagazin aus der Schweiz, SUCHT aus Deutschland und IM+io, „das Fachmagazin des August-Wilhelm Scheer Instituts“, ebenfalls aus Deutschland, unter der Verantwortung des Herausgebers Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer. In den Autorenrichtlinien von IM+io heißt es: „Bitte gendern Sie mit dem Gender-Doppelpunkt. Anstelle von ‚Autor‘ bzw. ‚Autorin‘ also ‚Autor:in‘.“ Auf Nachfrage eines Autors hin wurden weitere Optionen eingeräumt, die Verwendung genderneutraler Begriffe oder ein erklärender Hinweis am Ende des Textes. Auf die Feststellung hin, dass generische Formen genderneutral seien, kam keine Antwort. Ein erklärender Hinweis wiederum, warum man keine Standardsprache verwendet, ist nicht nur unnötig, sondern unsinnig. Kein Mitglied einer Sprachgemeinschaft muss sich für den allgemeinen Sprachgebrauch rechtfertigen. Sich selbst beschreibt man übrigens mit generischen Ausdrücken: „Die Redaktion der IM+io besteht aus Wissenschaftlern, Fachredakteuren und Journalisten.“ (Website IM+io) Die genannte Fantasiesprache wird nicht nur von Hochschulen, Instituten, Verlagen und Herausgebern benutzt und gefördert, sondern auch von Internet- und IT-Konzernen wie X Corp. (X, vormals Twitter) und Microsoft (LinkedIn, Outlook).
Abb.: In der Chefetage eines IT-Konzerns (Bild: Ideogram)
„Bei Sprache handelt es sich um Systeme der Kommunikation von Menschen, Tieren und Maschinen.“ Mit diesem Satz beginnt ein neuer Beitrag von Oliver Bendel im Gabler Wirtschaftslexikon. Nach grundsätzlichen Erklärungen und einer Darstellung von Entwicklung und Geschichte werden Ansätze einer Systemtheorie entwickelt, in der existenziellen Systemen wie Sprache und Moral sowie zivilisatorischen Systemen wie Politik, Journalismus, Wissenschaft und Kunst eine spezifische Aufgabe zugesprochen wird, deren Erfüllung jeweils durch ein anderes System beeinträchtigt werden kann. Diese Überlegungen kulminieren in der Feststellung, Sinn und Zweck von Sprache sei „nicht, moralisch zu sein“. Im Weiteren wird auf Dialogsysteme eingegangen, die natürliche Sprache verwenden, und auf Technologien und Programme, die Sprache übersetzen und bearbeiten, wobei hier oft ein Bias vorhanden ist und von offiziellen Regeln abgewichen wird. Ein eigener Abschnitt gehört den wirtschaftlichen Aspekten. Am Ende wird Kritik an Strömungen innerhalb der zuständigen Disziplin geübt: „Die Linguistik, die Sprache eigentlich beobachten und untersuchen sollte, gefällt sich in ihren vermeintlich progressiven Ausläufern darin, ihren eigenen Gegenstand zu manipulieren und zu instrumentalisieren. Dem tritt allerdings die klassische Sprachwissenschaft entgegen, wobei sie alte Größe zurückgewinnt, sofern sie nicht im Nostalgischen und Konservatorischen steckenbleibt.“ Zudem werden Überlegungen u.a. aus der Perspektive von Informationsethik, Medienethik, Roboterethik und Wirtschaftsethik angestellt. Der Beitrag ist am 31. Januar 2023 erschienen und kann über wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/sprache-124739 aufgerufen werden.
Es gibt viele Missverständnisse rund um die Gendersprache. Hier sind zehn davon, jeweils mit dem Versuch einer Ausräumung. 1. Geschlechtergerechte Sprache ist geschlechtergerecht: Sogenannte geschlechtergerechte Sprache ist in der Praxis nicht geschlechtergerecht, sondern sexistisch, da männliche Formen oft wegfallen. 2. Geschlechtergerechte Sprache ist geschlechtsneutral: Sogenannte geschlechtergerechte Sprache ist häufig sexualisierend und nennt Geschlechter, wo sie keine Rolle spielen. 3. Sprache muss moralisch sein: Sprache dient in erster Linie nicht der Herstellung von Moral, sondern der Verständigung, und eine Ausrichtung an der Moral kann sie als System stören und ihre Funktion beeinträchtigen. 4. Haltung ist wichtiger als Zielerfüllung: Die Verwendung von Gendersprache an den Hochschulen, in den Medien und in den Verlagen beeinträchtigt Korrektheit, Präzision und Prägnanz, also die Voraussetzungen für erfolgreiches Wirken in diesen Bereichen. 5. Gendersprache kann Mitarbeitern und Mitgliedern vorgeschrieben werden: Die Verwendung von Sprache in Unternehmen und an Hochschulen sollte den amtlichen Rechtschreibregeln folgen (an Hochschulen braucht es einen objektiven Maßstab für die Bewertung studentischer Arbeiten) und ist ansonsten geschützt durch Persönlichkeitsrechte und die Wissenschaftsfreiheit. 6. Sprache entwickelt sich weiter: Natürliche Sprache entwickelt sich nicht durch Vorgaben weiter, schon gar nicht durch Vorgaben einer Minderheit, sondern durch den Sprachgebrauch einer Mehrheit, außer in totalitären Systemen. 7. Beim generischen Maskulinum sind Frauen nur mitgemeint: Das Genus, das missverständlich generisches Maskulinum genannt wird, meint kein bestimmtes Geschlecht (es meint auch keines mit) und ist geschlechtsneutral. 8. Studien zeigen, dass sich Frauen durch das generische Maskulinum nicht mitgemeint fühlen: Es handelt sich mehrheitlich um problematische Assoziationsstudien, und objektiv gesehen werden mit dem generischen Maskulinum alle angesprochen. 9. Das generische Maskulinum ist uneindeutig: Das Problem, dass die männliche Form gleich aussehen kann wie das generische Maskulinum, ist in der Praxis meist keines, da der Kontext für Eindeutigkeit sorgt. 10. Gendersprache ist eine harmlose Variante: Der Gebrauch von Gendersternchen, Doppelpunkt, Unterstrich etc. ist ein tiefgehender Eingriff in die Wortstruktur und führt zu grammatikalischen Fehlern, etwa bei der Deklination.
Abb.: Nicht die Sprache ändern, sondern die Wirklichkeit
„Geschlechtergerechte Sprache, angestrebt etwa in Unternehmen, an Hochschulen, von Verlagen oder in den Medien, verfolgt die Idee, im Schreiben und Sprechen mehrere Geschlechter bzw. Identitäten sichtbar zu machen oder Geschlechtsneutralität umzusetzen und dadurch mit Blick auf männliche, weibliche und nichtbinäre Personen gerecht zu sein. Man spricht zudem von inklusiver oder, unter Betonung der letztgenannten Gruppe, von gendergerechter Sprache.“ Mit diesen Worten beginnt ein Beitrag von Oliver Bendel im Gabler Wirtschaftslexikon, erschienen am 4. Februar 2022. Er widmet sich vor allem der Frage, ob geschlechtergerechte Sprache wirklich geschlechtergerecht ist, und kommt zum Schluss, dass in der Praxis das Gegenteil der Fall ist. Dies liegt u.a. daran, dass männliche Formen zurückgedrängt werden oder ganz verschwinden. Die vermeintliche Männersprache wird zur Frauen- und Transmenschensprache. Das mag man als Aktivist begrüßen – aber das Anliegen der Geschlechtergerechtigkeit wird dadurch ad absurdum geführt. Zielführender scheint es zu sein, die Wirklichkeit umzubauen und die Sprache in Ruhe zu lassen. Der Beitrag kann über wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/geschlechtergerechte-sprache-123567 aufgerufen werden.
Abb.: Nicht die Sprache umbauen, sondern die Wirklichkeit
Leitfäden zu geschlechtergerechter bzw. inklusiver Sprache können aus ethischer und rechtlicher Sicht betrachtet werden. Aus ethischer Sicht mag die Betonung der Moral in der Sprache untersucht werden, zudem die Verbreitung des Moralismus in der Gesellschaft. Es interessiert, dass die Verwendung des Gendersternchens alle Geschlechter einschließen soll, in der Praxis aber das Gegenteil der Fall ist: Die männliche Form geht in vielen Fällen verloren, wie bei „Autor*innen“ (eine Formulierung bei Springer auf den Webseiten zu den Publikationen) oder „Professor*innen“ (eine Formulierung im Leitfaden der GI). Noch deutlicher mag es bei den „Ärzt*innen“ und den „Französ*innen“ werden. Der Aspekt des Sexualisierenden und Sexistischen ist auch rechtlich relevant. So kann eine Frau mit Blick auf eine Stellenausschreibung oder -beschreibung klagen, wenn die männliche Form als geschlechtliche Kategorie verstanden werden muss, ebenso ein Mann, der von der Formulierung „Anwält*innen“ oder „Professor*innen“ nicht erfasst wird. Ferner kann man aus verschiedenen Gründen gegen einen Arbeitgeber vorgehen, der die Sprache seines Personals in grundsätzlicher Weise zu bestimmen versucht – dies macht seit Mai 2021 ein Mitarbeiter von Audi mit Verweis auf das Persönlichkeitsrecht. Die Universität Bern schreibt in ihren „Empfehlungen“ im Abschnitt „Hinweise für wissenschaftliche Arbeiten“: Es „besteht die Möglichkeit, im Zitat unmittelbar nach der Wiedergabe des ‚generischen Maskulinums‘ dieses mit einem [sic!] zu markieren“ (Empfehlungen für die Universität Bern). Dadurch wird der Anschein erweckt, als wäre das Original in irgendeiner Weise – in welcher, wird für den Leser nicht ersichtlich – nicht in Ordnung, obwohl gerade der bestehenden Ordnung entsprochen wird. Forscher und Forscherinnen, die sich dadurch diskreditiert fühlen, könnten gegen die Verantwortlichen vorgehen, zudem gegen die Kolleginnen und Kollegen, die sie in irreführender Weise zitieren. Inklusive Sprache ist ein wichtiges Anliegen. Der Weg dorthin ist mit Stolpersteinen gepflastert.
Abb.: Inklusive Sprache ist ein wichtiges Anliegen
„Mit dem Gendersternchen oder Genderstern (seltener ‚Gender-Star‘) versucht man – so das erklärte Ziel der Verwender – eine Berücksichtigung und Sichtbarmachung aller Geschlechter in der geschriebenen deutschen Sprache zu erreichen. Zu diesem Zweck fügt man es in Substantive und Adjektive sowie in oder zwischen unbestimmte und bestimmte Artikel ein. Im Information Retrieval – etwa bei der Suche in Fachdatenbanken oder mit Suchmaschinen im Internet – dient ein Sternchen (auch Asterisk genannt) als Platzhalter für ein Zeichen oder mehrere Zeichen. In der geschlechtergerechten Sprache soll es für weitere Geschlechter neben dem männlichen und weiblichen stehen, also für das, was man ansonsten als divers bezeichnet.» Mit diesen Worten beginnt ein neuer Beitrag im Gabler Wirtschaftslexikon von Oliver Bendel. Es wird dargestellt, welche Vor- und Nachteile das Gendersternchen nach der Meinung von Experten hat. Gezeigt wird, dass die übliche Praxis der Verwendung nicht geschlechtergerecht ist, da die männliche Form in vielen Fällen verschwindet. Am Ende wird die Perspektive der Ethik eingenommen. Der Beitrag ist am 28. April 2021 erschienen und kann über wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/gendersternchen-123255 aufgerufen werden.
Abb.: Eine scherzhafte Verwendung des Gendersternchens in Zürich