Technikphilosoph über DeepL Write, ChatGPT, Gesichtserkennung und andere KI-Anwendungen

BR24 hat sich mit Oliver Bendel – Technikphilosoph, Informationsethiker und Maschinenethiker – über DeepL Write, ChatGPT und andere KI-Anwendungen unterhalten. Bei DeepL Write sieht er das Problem, dass das Unternehmen nicht die offiziellen Rechtschreibregeln befolgt, sondern eigene – oder aus dem Datenmaterial abgeleitete. Auch Microsoft Word hat seit vielen Jahren eine ungeeignete Rechtschreibprüfung, was vermutlich mit der zunehmend genutzten KI zusammenhängt. ChatGPT sieht Oliver Bendel als mächtiges Werkzeug an, das man für allerlei Belange nutzen kann. Hochschulen und Medien müssen freilich darauf reagieren. Studenten und Studentinnen müssen grundsätzlich fremdes geistiges Eigentum markieren und referenzieren – vielleicht gibt es bei ChatGPT kein geistiges Eigentum in diesem Sinne mehr, aber man kann auf jeden Fall sagen, dass es sich nicht um das geistige Eigentum der Anwender handelt. Auch Gesichtserkennung hält Oliver Bendel für eine mächtige Technologie. Man solle die Forschung dazu nicht begrenzen, wohl aber die Anwendung, und Gesichtserkennung zum Zweck der Massenüberwachung verbieten. Er berichtet von einem System, das von ihm und Ali Yürekkirmaz konzipiert wurde und das Gesichtserkennung für Bären in den Alpen vorsieht. Ihr Paper „A Face Recognition System for Bears: Protection for Animals and Humans in the Alps“ wird demnächst in den Proceedings der „Ninth International Conference on Animal-Computer Interaction (ACI’22)“ erscheinen. Bei BR24 stehen ein Podcast mit dem Interview von Cosima Weiske mit Oliver Bendel und ein Artikel mit Aussagen von ihm zur Verfügung.

Abb.: Oliver Bendel bei einer Abschlusspräsentation (Foto: Sara Zarubica)

 

DeepL Write fällt beim Diktat durch

DeepL Write ist ein KI-basiertes Lektorprogramm, das seit 17. Januar 2023 als Betaversion über www.deepl.com/write verfügbar ist, für die deutsche und die englische Sprache. Es wurde nun mit Hilfe einer Rechtschreibtafel geprüft, die Oliver Bendel im Jahre 2015 erstellt und seitdem immer wieder aktualisiert hat. 1. Der Satz „Alkohol in Maßen ist gesund.“ wurde nicht beanstandet. Bei „Herzlich willkommen“ wurde „Willkommen“ vorgeschlagen. Als weitere Alternative zeigte das Tool „Herzlich Willkommen“ an, also eine falsche Schreibweise. 2. „Frühlingserwachen“ wurde nicht beanstandet. Als erste Alternative zu „Social-Media-Konferenz“ wurde „Social Media Konferenz“ vorgeschlagen, also eine falsche Schreibweise. Hier muss zwingend durchgekoppelt werden. Für „Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänsmütze“ offerierte DeepL Write solide Optionen wie „Kapitänsmütze der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft“. 3. Zu „Wir betreten unser neues Haus, in dem man komfortabel wohnen kann.“ wurden merkwürdige Alternativen wie „Betreten unseres neuen Hauses, in dem es sich gut leben lässt.“ aufgeführt. „Wirksam führen“ wurde als korrekt erkannt, ebenso wie „Lenny und Laura gehen schwimmen.“ (wobei hier die Alternative „Lenny und Laura gehen baden.“ aufgelistet wurde). 4. Der korrekte Plural in „Die erste und die zweite Sturmwarnung wurden missachtet.“ wurde auch Bestandteil der verschiedenen Varianten. 5. „Das gibt’s doch nicht!“ wurde als korrekt erkannt, ebenso wie „Willis Würstchenbude“. Allerdings zeigte das Tool hier als erste Alternative „Willi’s Würstchenbude“ an. Diese Schreibweise lässt der Duden inzwischen zu, was freilich nicht für das Wörterbuch spricht. 6. „Der Chef fragt sie, ob sie zufrieden ist.“ wurde korrekt als Aussagesatz erkannt und nicht zum Fragesatz umformuliert. 7. Bei „Komm, wir essen, Oma!“ lautete eine Alternative „Komm, lass uns essen, Oma!“. Die Oma blieb in allen Fällen unversehrt. 8. „Die Ärzt*innen“ wurde als korrekt angesehen, obwohl diese Schreibweise in der amtlich fixierten Sprache nicht existiert. Erst als zweite Alternative wurde „Ärztinnen und Ärzte“ unterbreitet. Hier wäre „Ärzte und Ärztinnen“ vorzuziehen, wenn man zuerst die am wenigsten komplexe Form aufführen will. Die weibliche Form nennt man bei Begrüßungen zuerst. Das korrekte generische Maskulinum fehlt bei den Vorschlägen ganz. Das Ergebnis des Tests ist, dass DeepL Write in wesentlichen Aspekten versagt, in Bezug auf Groß- und Kleinschreibung, Zusammen- und Getrenntschreibung und die amtlich fixierten Regeln. Es werden zum Teil eigene Regeln angewandt, die zudem nicht transparent dargestellt werden. Damit ist der Nutzen des Tools grundsätzlich in Frage gestellt. „Schreiben Sie klar, präzise und fehlerfrei“, so heißt es auf der Website – das kann man offenbar besser, indem man sich auf sein Sprachgefühl und den Rechtschreibrat verlässt.

Abb.: Die Rechtschreibtipps von Oliver Bendel

DeepL Write – besser als die Prüfung von MS Word, aber nicht gut genug

„Bessere Texte im Handumdrehen“ – so ist DeepL Write betitelt. Und weiter: „Schreiben Sie klar, präzise und fehlerfrei“. Tatsächlich werden viele Rechtschreibfehler korrigiert. Es werden aber offenbar eigene Regeln angewandt. Sätze wie „Die Lektor*innen gehen ihrer ASrbeit nach.“ schreibt DeepL Write in „Die Lektor*innen gehen ihrer Arbeit nach.“ um. Immerhin wurde der Tippfehler erkannt. Den Rest kann und muss man beanstanden, denn im Wortinneren treten keine Sonderzeichen auf, wenn man von Bindestrichen absieht, mit denen man Wörter zu Komposita koppelt, und das Gendersternchen ist als Rechtschreibfehler zu werten. Als Alternative wird „Die Lektor*innen arbeiten.“ angezeigt. Auch hier ist das Gendersternchen nicht eliminiert – zudem ergibt sich eine Bedeutungsverschiebung. Aus „Ich besuche demnächst eine E-Learning Konferenz.“ macht das Tool den Satz „Ich werde demnächst an einer E-Learning-Konferenz teilnehmen.“ Damit wurde aus dem falschen Kompositum „E-Learning Konferenz“ das richtige „E-Learning-Konferenz“ – denn hier muss zwingend durchgekoppelt werden. In diesen Belangen ist die MS-Word-Rechtschreibprüfung sehr schwach, denn es werden von ihr regelmäßig falsch geschriebene Komposita vorgeschlagen (was DeepL Write zuweilen aber auch macht). Die Umformulierung an sich ist unnötig und sogar weniger elegant als das Original. DeepL Write wird Schülern und Studenten dabei helfen, bestimmte Rechtschreibfehler zu vermeiden. Es wird ihnen aber auch umständliche Sätze nahelegen. Und solange es sich nicht an die Regeln des Rechtschreibrats hält, ist der Nutzen begrenzt.

Abb.: Beim Schreiben mit dem und neben dem Computer