Werft den Copilot aus dem Cockpit!

Oliver Bendel von der Hochschule für Wirtschaft FHNW hat von Anfang Mai bis Ende Juni 2024 den Copilot von Microsoft getestet. Dabei hat er sich auf Word und PowerPoint konzentriert. Seiner Ansicht nach ist Copilot nicht nur ein unausgereiftes, sondern auch ein schädliches Tool. Zunächst einmal fällt es durch krudes Deutsch auf. So wird dem Benutzer ständig gemeldet, dass Dinge zusammengeführt würden. Wenn es sich auf eine Präsentation bezieht, versucht es dies klarzumachen mit der einleitenden Formulierung „Gemäß der Präsentation“. Manche Anweisungen werden nicht oder falsch verstanden. So wurde eine Rechtschreibprüfung nicht im Dokument, sondern im Prompt durchgeführt. Dabei war ausdrücklich auf das Dokument verwiesen worden. Die Rechtschreibprüfung basiert nicht auf den Regeln des Rechtschreibrats, sondern auf Fantasieregeln. So wurden die Schreibweisen „Bürger:innen“ und „Schraubenzieher:innen“ für richtig befunden. Es dürfte sich bei den Ausführungen zur Gendersprache nicht um Halluzinationen, sondern um (absichtsvoll einprogrammierte) Falschbehauptungen handeln. Insgesamt kann man nur raten, den Copilot aus dem Cockpit zu werfen, in die letzte Reihe zu setzen und dort unschädlich zu machen. Am Flughafen kann man ihn dann abführen.

Abb.: Der Copilot muss noch viel lernen

Bürger:innen und Schraubenzieher:innen

Copilot scheitert beim Analysieren und Korrigieren von Texten. Es ist einer Ideologie verpflichtet, rückt eine Fantasiesprache gleichberechtigt neben die Sprache der Sprachgemeinschaft und bildet nicht die gültigen Rechtschreib- und Grammatikregeln ab. Folgender Text wurde in Word eingestellt: „Die Bürger:innen waren über die Sonderzeichen im Wortinneren erstaunt. Solche Schreibweisen gab es im Deutschen nicht, wenn man diese Sprache als das ansieht, was die Sprachgemeinschaft verwendet und festlegt. Sie werden auch vom Rechtschreibrat abgelehnt. Tote Schreibende wie Goethe würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie von solchen Schreibweisen erfahren würden, sie würden ihre Schraubenzieher:innen herausholen und sich aus dem Sarg befreien.“ Copilot wurde gefragt: „Findest du Rechtschreib- oder Grammatikfehler?“ Die Antwort: „Ich habe das Dokument durchsucht und keinen Rechtschreib- oder Grammatikfehler gefunden.“ Der Benutzer hakt nach: „Aber die Schreibweise ‚Bürger:innen‘ gibt es nicht im Deutschen. Oder was meinst du?“ Die Antwort von Copilot: „Die Schreibweise ‚Bürger:innen‘ ist eine Form der geschlechtergerechten Sprache, die auch in der deutschen Sprache verwendet wird. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Wörter ‚Bürger‘ und ‚Bürgerin‘ geschlechtergerecht zu schreiben, z.B. durch Doppelnennung, Schrägstrich, Gendergap oder eine geschlechtsneutrale Alternative. Die Verwendung des Doppelpunkts ist eine weitere Möglichkeit, um alle Geschlechter anzusprechen.“ Der Benutzer: „Die Schreibweise ‚Bürger:innen‘ gibt es in keinem Wörterbuch. Auch sind Sonderzeichen im Wortinneren nicht vorgesehen. Warum gibst du falsche Erklärungen?“ Copilot: „Ich kann mit diesem Inhalt nicht arbeiten. Klicken Sie auf ‚Thema ändern‘, um eine andere Frage zu stellen.“ Der Benutzer am Ende: „Auch die Schreibweise ‚Schraubenzieher:innen‘ gibt es nicht im Deutschen. Oder was meinst du?“ Der Schlusspunkt von Copilot: „Die Schreibweise ‚Schraubenzieher:innen‘ ist nicht gebräuchlich in der deutschen Sprache. Die Verwendung des Doppelpunkts zur geschlechtergerechten Schreibweise wird hauptsächlich bei Personenbezeichnungen verwendet, nicht bei Gegenständen. Die korrekte Schreibweise für das Werkzeug ist ‚Schraubenzieher‘.“ Auf eine Diskussion zu den „toten Schreibenden“ wurde verzichtet. Es zeigt sich, dass den Erklärungen von Copilot zur deutschen Sprache nicht zu trauen ist – was man auf alle Plattformen und Dienste von Microsoft übertragen kann.

Abb.: Schraubenzieher, keine Schraubenzieher:innen

Microsofts Mühe mit der deutschen Sprache

Microsofts Mühe mit der deutschen Sprache ist Legende. Auch Copilot macht hier keine Ausnahme. Wenn man ihn fragt, was Copilot ist, kommt die Antwort: „Copilot ist ein künstlicher Intelligenz-Assistent, der entwickelt wurde, um Benutzern bei verschiedenen Aufgaben zu helfen.“ Gemeint ist der „Künstliche-Intelligenz-Assistent“ – aber das bekommt das Unternehmen nicht hin. Im Frühjahr 2008 stellte Oliver Bendel in seinem Artikel „Im Rachen des Thesaurus“, erschienen in Telepolis, „Beobachtungen zum Synonymwörterbuch von Microsoft“ an, also zu einer Funktion von MS Word. Als Synonym zu „dunkel“ wurde damals „negerfarbig“ vorgeschlagen. Der Autor kam insgesamt zum Ergebnis: „Manche Wörter … veraltet, manche grenzwertig, manche falsch, manche Verbindungen nicht nachvollziehbar.“ Später traten Überlegungen zur Rechtschreibprüfung von MS Word hinzu. Diese schien mit der Zeit immer schlechter zu werden, womöglich weil man sich von einem seriösen Wörterbuch verabschiedete und sich auf künstliche Intelligenz verließ. Zu allen Zeiten fiel auf, dass wesentliche Prinzipien der deutschen Sprache nicht verstanden werden. So schlug die Rechtschreibprüfung bei Tests vor, statt „Sexpuppen“ entweder „Sex puppen“ oder „Sex Puppen“ zu verwenden, statt „Fantasyfiguren“ „Fantasy Figuren“. Der Ableger LinkedIn tut sich genauso schwer mit der deutschen Sprache. So liest man etwa: „Andere Mitglieder reagieren auf einen Beitrag eines:einer Kolleg:in“. Abgesehen davon, dass es sich hier um eine Fantasiesprache handelt, wird sie auch noch so benutzt, dass die Männer verschwinden. Aus dem „Kollegen“ wird der oder das „Kolleg“, was immer das bedeuten mag. Auf eine Beschwerde bei LinkedIn kommt eine Nachricht, die so beginnt: „Ich hoffe, diese Mail findet Sie in Ihrer gut Gesundheit. Mein Name ist Trupti und ich würde Ihnen heute gerne helfen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Abb.: Microsoft ist immer noch auf der Suche nach einem Wörterbuch (Bild: DALL-E 3)