Der dienstliche Griff ans Gemächt

Millionen von jungen Männern wurden seit 1959 im Rahmen der Musterung in unerwünschter Weise im Genitalbereich angefasst. Martin Gerstner erwähnte am 15. September 2010 in der Stuttgarter Zeitung den „Eierkontrollgriff“ in seinem Artikel „Der dienstliche Griff an die Körpermitte“. Markus Feldenkirchen legte am 14. Juni 2024 mit einer Spiegel-Kolumne mit dem Titel „Und dann machte die Amtsärztin den ‚Eierkontrollgriff'“ nach. Unerwünschte Berührungen und sexuelle Handlungen, die die sexuelle Selbstbestimmung eines Mannes verletzen, werden in der Gesellschaft und von der Politik kaum ernst genommen. Martin Gerstner zitierte aus dem Wehrpflichtgesetz wie folgt: „Die zu musternde Person wird gewogen, vermessen und nach Alkohol-, Zigaretten- und anderem Drogenkonsum befragt.“ Als Mann hat man offenbar hinzunehmen, dass man von fremden Männern oder Frauen im Genitalbereich angefasst wird. Es ist zu fragen, warum dies von Medien kaum thematisiert wurde, und warum sich kein Verantwortlicher entschuldigt hat. Wie ist die Situation heute? Dies wird auf der Website einstellungstest-bundeswehr.de erklärt. Die „Genitalorgane“ des Manns werden einer „Inspektion und Palpation“ unterzogen. Sie werden also betrachtet und abgetastet. Die Frau muss eine Kopie der gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung vorlegen, die nicht älter als 6 Monate ist. Dies gilt „nur für Bewerberinnen über 20 Jahre“. Es wird also ein Unterschied zwischen Männern und Frauen gemacht, zudem ein Unterschied beim Alter. Frauen können zum Arzt ihres Vertrauens gehen – Männer werden nach wie vor von Fremden angefasst. Man kann allenfalls argumentieren, dass die Betroffenen sich freiwillig zum Dienst melden, mit allen Konsequenzen. Jahrzehntelang war dies nicht der Fall. Es herrschte Zwangsdienst, und in dessen Vorbereitung fand der Übergriff statt. Dies muss dringend aufgearbeitet werden, von den Medien und von der Politik.

Abb.: Der „David“ von Michelangelo in Florenz