Die TA-SWISS weist in ihren E-News vom 10. Dezember 2013 auf eine Veranstaltung hin. Am Montag, 16. Dezember 2013 um 18.30 Uhr diskutieren Jean-Marie Chenou (Politikwissenschaftler Universität Lausanne), Sami Coll (Soziologe Universität Genf), Stéphane Koch (Spezialist für Informationssicherheit) und Jean-Henry Morin (Assoz. Professor für Informationssysteme, Universität Genf) zu Datengenerierung, -erhebung und -missbrauch und Fragen wie „Wozu dienen all diese Daten?“ und „Ist unsere Privatsphäre in Gefahr oder ist Überwachung ein notwendiges Übel?“ … Ein Informationsethiker wurde offenbar nicht eingeladen. In den E-News vom 10. Dezember 2013 heißt es: „Ob zu Hause am Bildschirm, unterwegs in der Stadt oder auf Reisen: wo immer wir uns befinden, hinterlassen wir Datenspuren, die registriert und gespeichert werden. Unser Handy gibt Auskunft darüber, wo wir uns aufhalten. Die Kredit- und Treuekarten, die wir verwenden, geben Hinweise auf unser Kaufverhalten. Was immer wir tun oder lassen: Tausende von Sicherheitskameras im öffentlichen Raum und in Privatgebäuden zeichnen es getreulich auf. Und auch wenn wir im Internet surfen, füttern wir mit jedem Mausklick gigantische Datenbanken.“ Die Leitung des sogenannten Wissenschaftscafés obliegt Danielle Bütschi von der TA-SWISS. Ort der Veranstaltung ist das Musée d’histoire des sciences in Genf.
In den VμE-Nachrichten, herausgegeben vom Fraunhofer-Verbund Mikroelektronik, erschien im Sommer 2013 ein Interview zu Informations- und Maschinenethik. Oliver Bendel erklärte, was man sich unter diesen Disziplinen vorstellen kann, ging auf die Einflussmöglichkeiten von Forschern ein und wünschte sich die Stärkung der philosophischen Ethik gegenüber der theologischen bzw. theonomen. Inzwischen ist die englische Version der Zeitschrift erschienen, mitsamt dem Interview auf den Seiten 8 und 9. Es wird mit folgenden Worten eingeleitet: „Technological progress opens up new opportunities for action that make our lives safer and more comfortable – as long as we take advantage of it responsibly. VμE spoke to the commercial computer scientist and author Prof. Oliver Bendel about the ethical dimension of research, and current issues.“ Die englischsprachige Zeitschrift ist als PDF verfügbar.
Abb.: Oliver Bendel im Sommer 2012, ein Jahr vor dem Interview
Das 8. Aargauer Wirtschaftssymposium vom 16. Januar 2013 war in zwei Teile gegliedert. Die eloquente und sympathische TV-Frau Christine Maier fungierte zuerst als Ansagerin, dann als Interviewerin. Im ersten Teil referierten der Direktionspräsident der Fachhochschule Nordwestschweiz, Prof. Dr. Crispino Bergamaschi, der Hamburger Trendforscher Prof. Dr. Peter Wippermann und die Unternehmerin Carolina Müller-Möhl. Im zweiten Teil standen Prof. Dr. Oliver Bendel, Monika Walser und Dr. Toni Brühlmann Rede und Antwort. Den Rahmen bildeten eine musikalische Darbietung von Bruno Bieri, der sein ufohaftes Hang und seine stimmlichen Fähigkeiten mitgebracht hatte, und eine unterhaltsame Motivationsstunde von Dr. Marco Freiherr von Münchhausen.
Abb.: Der Hallerbau als Teil des FHNW-Campus Brugg-Windisch
GI-Präsident Oliver Günther will, „dass Ethik für Informatiker verpflichtend zur Ausbildung gehört“ (golem.de vom 14. Januar 2013). Eine ähnliche Forderung hat Oliver Bendel in seinem Buch „Die Rache der Nerds“ (2012) im Kapitel „Die Mängel der Ausbildung“ aufgestellt. In seinem Beitrag „Die Moral der Informationsgesellschaft: Für eine Renaissance der Informationsethik und eine Stärkung der Technologiefolgenabschätzung“, der im Frühjahr 2013 im Tagungsband „Vordenken – mitdenken – nachdenken: Technologiefolgenabschätzung im Dienst einer pluralistischen Politik“ erscheint, plädiert er dafür, innerhalb von Informatik und Wirtschaftsinformatik verstärkt Informationsethik zu betreiben. Günther, der auch Präsident der Universität Potsdam ist, betont: „Informatikfachleute dürfen sich nicht allein auf die technischen und ökonomischen Fragen ihrer Disziplin beschränken.“ (golem.de vom 14. Januar 2013) In dem Artikel werden seine Ausführungen mit folgenden Worten zusammengefasst: „Informatiker müssten sich der ethischen, gesellschaftlichen, juristischen und politischen Konsequenzen ihrer Entwicklungen stets bewusst sein. Darüber hinaus liege es in ihrer Verantwortung, die Nutzer beim sicheren und verantwortungsvollen Einsatz von Informatik zu begleiten und zu beraten.“ (golem.de vom 14. Januar 2013) Allerdings gibt es derzeit kaum Wissenschaftler, die die Informationsethik in Forschung und Lehre vertreten können. Günther betont in diesem Zusammenhang, dass die „hier benötigten kompetenten Fachleute … in erster Linie an den Hochschulen entsprechend ausgebildet werden“ (golem.de vom 14. Januar 2013) müssen.
Ein lesenswertes Buch haben André Schüller-Zwierlein und Nicole Zillien herausgegeben. Unter dem Titel „Informationsgerechtigkeit“ versammeln sie Beiträge zur „Theorie und Praxis der gesellschaftlichen Informationsversorgung“ (Untertitel). An mehreren Stellen wird auch im Rahmen der Informationsethik diskutiert, wobei diese weniger als Ethik der Bereitstellung und Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien, sondern mehr als Ethik der Verfügbarkeit und Kontrollierbarkeit von Information aufgefasst wird. Entsprechend sind Themen wie Information als Gemeingut oder informationelle Autonomie vorherrschend. Schüller-Zwierlein arbeitet in der Universitätsbibliothek München (LMU), Zillien vertritt die Professur für Soziologie an der Universität Trier. Der Herausgeberband ist Anfang 2013 bei Walter de Gruyter in der neuen Reihe „Age of Access? Grundfragen der Informationsgesellschaft“ erschienen.
Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF) hat am 28. Dezember 2012 eine Stellungnahme zur Besetzung des Lehrstuhls „Informatik und Gesellschaft und Didaktik der Informatik“ an der Humboldt-Universität veröffentlicht. Es habe Hinweise erhalten, dass die durch das Ausscheiden von Wolfgang Coy freigewordene Professur für Informatik und Gesellschaft fachfremd bzw. nur mit marginalem Fachbezug wiederbesetzt werden soll. „Sollten diese Hinweise den Tatsachen entsprechen, so ist das FIfF über die drohende Fehlbesetzung besorgt und möchte … vor dem damit verbundenen weiteren Abbau des Faches Informatik und Gesellschaft warnen – besonders in einer Zeit, in der die Informatik unsere Gesellschaft immer stärker durchdringt.“ (Website FIfF) Das Forum kommt zu der Einschätzung: „Paradoxerweise erlebt das Fachgebiet Informatik und Gesellschaft in den letzten Jahren einen Rückschlag nach dem anderen, obwohl ihre Fragestellungen nun endgültig von der Politik und der Gesellschaft, z.B. in der Netzpolitik, aufgegriffen worden sind. Ihre Lehrstühle werden von den Universitäten umgewidmet, fallengelassen oder sinnentleert.“ (Website FIfF) Oliver Bendel hat die Situation in seinem Buch „Die Rache der Nerds“ so beschrieben: „Seit geraumer Zeit gibt es einen Teilbereich der Informatik namens Informatik und Gesellschaft (IuG). Man könnte meinen, dass seine Bedeutung proportional zur Bedeutung der ganzen Wissenschaft und zur Zunahme moralischer und sozialer Umbrüche durch Informations- und Kommunikationstechnologien und digitale Medien gewachsen wäre. Dass seine Bedeutung geradezu explodiert wäre durch die Sprengkraft von Internet und Web, insbesondere Web 2.0. Aber das Gegenteil ist der Fall.“ Die Stellungnahme des FIfF ist über fiff.de abrufbar (Link nicht mehr gültig).
Die Medizinethik hat die Moral in der Medizin zum Gegenstand, die Informationsethik die Moral (in) der Informationsgesellschaft. Der Artikel „Die Medizinethik in der Informationsgesellschaft“, der in der Zeitschrift Informatik-Spektrum erschienen ist, untersucht das Verhältnis zwischen der Informationsethik und den anderen Bereichsethiken am Beispiel der Medizinethik. Zentral ist die Abbildung mit dem „Ethik-Ei“, das aus dem „Ethik-Dekagon“ hervorgegangen ist. Darin wird die Informationsethik mit zehn weiteren Bereichsethiken in Beziehung gesetzt, und es werden Beispiele für Anwendungen in den Schnittbereichen genannt. Für Medizinethik und Informationsethik ist die Kontrolle und Überwachung von Patienten mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien ein wichtiges Thema. Der Artikel von Oliver Bendel ist seit dem 17. November 2012 als „Online-First“-Artikel auf SpringerLink verfügbar. Er erscheint zudem in einer der nächsten Print-Ausgaben.
In einem Interview mit dem Institut für Wirtschaftsinformatik (Hochschule für Wirtschaft, Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW) vom 13. November 2012 erklärt der Philosoph und Wirtschaftsinformatiker Oliver Bendel „den Begriff der Maschinenethik, in welchem Kontext diese entstanden ist und wozu wir sie brauchen“ (IWI-Blog). Nathalie Baumann, die zum Team des IWI gehört und auch journalistisch tätig ist, steigt ein mit der Frage: „Oliver Bendel, fahren Sie Ihr Auto noch oder fährt Ihr Auto Sie? Oder anders gefragt: Wie intelligent ist Ihr Auto?“ Nicht nur um das selbständig fahrende Auto geht es, sondern auch um Agenten, Roboter und Drohnen. Intensiv wird erörtert, inwieweit eine Maschine ein Subjekt oder ein Objekt der Moral und der Ethik sein kann. Am Schluss wird noch ein Blick auf Japan geworfen, wo faszinierende humanoide Roboter gebaut werden. Das Interview ist nachzulesen über blogs.fhnw.ch/iwi/ (Link nicht mehr gültig).
Abb.: Vorlesung an der FHNW (Foto: Gataric Fotografie)
Das nächste Wirtschaftssymposium Aargau widmet sich der unternehmerischen Verantwortung. Auf der Website www.wisym.ch ist zu lesen: „Wer seine unternehmerische Verantwortung wahrnimmt gegenüber den Mitarbeitenden, der Umwelt, der Gesellschaft und dem wirtschaftlichen Umfeld – abgestützt auf eine innere Grundhaltung –, gewinnt an Glaubwürdigkeit.“ Was er oder sie noch gewinnt, wird auf dem Symposium am 16. Januar 2013 zu klären sein. Zu den Referentinnen und Referenten gehören Crispino Bergamaschi, Peter Wippermann, Carolina Müller-Möhl und Marco Freiherr von Münchhausen. „Erfolgreiche Köpfe“ diskutieren bei den Talks mit Moderatorin und Redakteurin Christine Maier über die Verantwortung im Bereich der sozialen Medien (Oliver Bendel), die Umsetzung im Unternehmen (Monika Walser) sowie Burnout und Lebenskrise (Toni Brühlmann). Das Motto von Oliver Bendel lautet: „Für eine Definition der Unternehmensverantwortung in der Informationsgesellschaft braucht es Informationsethik und Wirtschaftsethik.“ Er fordert, dass sich die Wirtschaftsethik intensiv mit der Informationsethik auseinandersetzt und die Informationsethik konsequent in die Aus- und Weiterbildung eingebunden wird. Zudem wünscht er sich Informations- und Kommunikationsplattformen zu den beiden Bereichsethiken, die unabhängig von (IT-)Unternehmen und von religiösen Gruppierungen sind.
Abb.: Unternehmensverantwortung in der Informationsgesellschaft
Die ZEIT AKADEMIE bietet ein „DVD-Seminar Ethik“ an. Kein Philosoph erörtert die „ethischen Grundfragen“, sondern ein Theologe. „Lernen Sie in 16 Vorlesungen die wichtigsten Begriffe und Positionen der Ethik praxisnah, anschaulich und im aktuellen Kontext kennen!“ (Werbetext der ZEIT AKADEMIE auf der Website) Die siebte Lektion trägt den Titel: „Informationszeitalter: Beherrschen uns die Medien?“ Obwohl Wolfgang Huber als Theologe vorgestellt wird, könnte der Leser und Kunde meinen, es handle sich um eine wissenschaftliche, eine philosophische Ethik, die hier betrieben wird. Es ist aber vom Ansatz her eine theonome Ethik, also eine Ethik, die sich auf eine göttliche Instanz bezieht. Die philosophische Ethik sucht nach Otfried Höffe „auf methodischem Weg … u. ohne letzte Berufung auf politische u. religiöse Autoritäten … oder auf das von alters her Gewohnte u. Bewährte allgemeingültige Aussagen über das gute u. gerechte Handeln“ (Höffe, Lexikon der Ethik, Eintrag Ethik). Es besteht, trotz des gemeinsamen Gegenstands der Moral, eine unüberbrückbare Kluft zwischen der theonomen und der philosophischen Ethik. In seiner Rezension „Die Dialektik der Ethik“ im Online-Magazin diesseits.de spricht Oskar Y. Martin die Kluft im konkreten Fall in deutlichen Worten an: Hubers „religiös motivierte Vorlesung“ sei „im Gewand eines neutralen Ethik-Seminars auf den Markt gebracht“ worden (diesseits.de, 1. September 2012). Und damit erweisen ZEIT AKADEMIE, Wolfgang Huber und die ihn interviewende Elisabeth von Thadden der wissenschaftlichen Ethik einen Bärendienst.